„Ich stecke noch in der Entwicklungsphase“

Bebetta war dank ihrer Krachernummer „Herr Kapellmeister“ wahrscheinlich die Newcomerin 2012 in der deutschen Elektroszene. Im Interview mit elektro-chronisten.de erzählt sie von der Entstehung ihres Überraschungshits, was dieser für Auswirkungen auf zukünftige Produktionen hat und welchen Einfluss ihr Freund auf ihre Soundkreationen ausübt. Und dann verrät sie noch, warum sie als Vinyljunkie nun plötzlich mit CDs spielt.

Von Sebastian Binder  

Es ist wahrscheinlich schon einigen Leuten aufgefallen: Es gibt auf meiner Seite einen ziemlichen Männerüberschuss in den Künstlerporträts und bei den Interviews. Das ist nicht nur meine Schuld, denn Fakt ist, dass der Großteil der Künstler in der Elektroszene nun einmal aus Männern besteht. Und dennoch nervt mich dieser Umstand ungemein. Höchste Zeit also, wieder ein wenig weiblichen Esprit in die elektro-chronistische Welt zu bringen. Und mit wem könnte das besser funktionieren als mit Anika Zeising, besser bekannt als Bebetta?

Wie fühlt man sich, wenn man zu den angesagtesten Newcomern in der deutschen Elektroszene gehört?

Bebetta (lacht): Das fühlt sich natürlich ganz gut an. Obwohl es irgendwie auch ziemlich schnell ging, aber vielleicht macht es gerade das im Moment so spannend.

Hast Du damit gerechnet, dass Dein „Herr Kapellmeister“ so einschlagen würde?

Bebetta: Überhaupt nicht. Denn eigentlich war schon die Entstehungsgeschichte dieses Tracks kurios: Ich saß zusammen mit meinem Freund Le Palf und Serwo Schamutzki & Kosta Aldente im Studio und wir hatten dieses Vintage-Vocal-Sample. Wir haben es dann so arrangiert, dass es für den Break passt und dann haben wir uns erstmal kaputt gelacht. Die anderen meinten schließlich zu mir: Etwas komisch ist das schon, willst Du das wirklich bringen? Ich habe es dann vor der Veröffentlichung ein paar Mal im Club gespielt und hier gab es viele positive Reaktionen. Also habe ich gesagt: Das wird jetzt so herausgebracht. Aber dass es dann wirklich so gut aufgenommen werden würde, damit hätte ich niemals gerechnet.

Hast Du nicht ein bisschen Angst, dass Deine neuen Sachen immer zuerst an „Herr Kapellmeister“ gemessen werden?

Bebetta: Die Gefahr besteht, aber ich hoffe es, ehrlich gesagt, nicht. Meine neueren Sachen sind schon anders, beispielsweise ohne diese markanten Vocals. Der Kapellmeister ist sehr speziell, eher eine Spaßnummer, bei meinen neuen Tracks setze ich auf eine größere Ernsthaftigkeit. Mir persönlich gefallen sie sogar etwas besser, mal sehen, was die Leute dazu sagen werden.

Wie viel Zeit verbringst Du eigentlich im Studio?

Bebetta: Das ist ganz unterschiedlich. Unter der Woche verbringe ich meistens zwei Tage im Studio, das hängt aber auch davon ab, wie oft ich am Wochenende aufgelegt habe. Wenn ich das ganze Wochenende durchgespielt habe, brauche ich erstmal eine gewisse Zeit, um meine Ohren ein wenig zu entspannen.

Du hast noch nicht so viele eigene Sachen produziert. Gibt es trotzdem schon einen Bebetta-Style?

Bebetta: Noch nicht wirklich. Ich stecke hier noch in der Entwicklungsphase. Ich habe noch nicht die größte Erfahrung beim Produzieren, manchmal kann es zum Beispiel vorkommen, dass ich einen ernsthaften Track produzieren will und es kommt eine Spaßnummer heraus und umgekehrt. Was ich aber mittlerweile festgestellt habe, ist, dass ich verspielte Breaks sehr gerne mag. Es ist aber eben nicht so, dass ich schon mit einer konkreten Vorstellung ins Studio gehe und vorher genau weiß, wie der Track klingen soll oder wird.

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Wie wichtig ist Dein Freund Le Palf als Einfluss auf Deine Musik?

Bebetta: Sehr, sehr wichtig. Nicht nur, dass er mich 2008 ermutigt hat, mit dem DJing anzufangen, sondern er hilft mir auch sehr beim Produzieren. Ich bin nicht unbedingt der Technik-Nerd und als ich das erste Mal Ableton gesehen habe, dachte ich: Oje, das brauche ich eigentlich nicht. Er hat mir dann mit viel Geduld die Feinheiten beigebracht, wofür ich ihm sehr dankbar bin. Wir arbeiten in unserem Studio zuhause auch zusammen und ergänzen uns dabei. Ich bin dabei eher für die Melodien und Harmonien zuständig, während er sich verstärkt um die Rhythmus-Grundlage kümmert. Aber auch generell unterstützt er mich und er freut sich natürlich riesig, wenn es bei mir gut läuft. Er ist auf jeden Fall ein wichtiger Teil von Bebetta.

Themenwechsel: Du hast früher nur mit Vinyl gespielt, jetzt legst Du aber plötzlich mit CDs auf. Woher kam dieser Sinneswandel?

Bebetta: Ach ja, das ist tatsächlich mit einer tragischen Geschichte verbunden. Es gab diesen Auftritt, bei dem ich der einzige Vinyl-DJ war. Die Bühne war auf einem Gerüst und an diesem Gerüst waren dummerweise die Bass-Boxen befestigt. Durch die Vibrationen des Basses ist die Nadel wie verrückt auf den Platten hin und her gesprungen und ich konnte kein Lied zu Ende spielen. Die Crowd hat das allerdings nicht mitbekommen. Viele dachten wahrscheinlich: Warum spielt da eine Frau, die nicht auflegen kann? Ich habe die Tanzfläche dann leergespielt, denn was sollte ich machen? Es konnte mich auch niemand ablösen. Ich habe mir noch nie so sehr etwas Digitales zum Auflegen gewünscht. Dieser Auftritt hat mich bis in meine Alpträume verfolgt und da es leider keine Ausnahme war, dass die Rahmenbedingungen nicht für Vinyl geeignet waren, habe ich gesagt: Es geht einfach nicht mehr ausschließlich mit Platten. Das ist zwar sehr schade, aber ich habe mich mittlerweile mit CDs angefreundet.

Klingt übel, aber die meisten Leute wissen sicherlich, dass Du das Auflegen beherrschst. Wie spontan bist Du dabei, wenn Du in einem Club spielst?

Bebetta: Ich bin da sehr spontan. Das Wichtigste ist für mich die Publikumsreaktion. Ich würde wahnsinnig werden, wenn ich die Crowd nicht sehen könnte. Denn wenn ich merke, dass die Leute glücklich sind, dann macht mich das auch glücklich. Man muss als DJ genau beobachten, wie das Publikum reagiert. Wenn ich mitbekomme, dass ein Lied nicht funktioniert, dann switche ich ziemlich schnell auf ein anderes um. Jede Stadt, jeder Club ist anders. Man muss sich eben auch danach richten, was bei den Leuten ankommt. Ich habe ja auch eine ziemliche Bandbreite an Musik in meinem Repertoire. Voraussetzung ist, dass mir die Tracks selbst gefallen. Ich versuche dabei stets, einen Bogen in meine Sets hinein zu bekommen. So spiele ich nicht den ganzen Abend nur TechHouse oder nur Deep House, sondern gebe mir Mühe, die verschiedenen Stile schlüssig in ein Set zu integrieren. Im Unterschied dazu bin ich bei meinen Studiosets sehr durchdacht. Die plane ich teilweise zwei, drei Wochen lang.

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Was denkst Du ist beim DJing wichtiger: Talent oder Erfahrung?

Bebetta: Beides ist selbstverständlich wichtig. Um es mal aus meiner Perspektive zu beschreiben: Mir fiel es relativ leicht, Platten ineinander zu mischen, was möglicherweise daran liegt, dass ich früher Jazzdance gemacht habe und ich daher ein gewisses Gefühl für das Zählen des Rhythmus hatte. Also hier vielleicht eine Spur Talent. Was ich zu Beginn allerdings weniger hatte, war die Fähigkeit, die Reaktionen des Publikums richtig einzuschätzen. Hierfür braucht man definitiv Erfahrung, denn diese Fähigkeit kann man sich nicht von heute auf morgen aneignen. Das Gespür für die Crowd erlangt man meiner Meinung nach in erster Linie durch die Erfahrung des Spielens.

Hat sich das DJing durch die Technik nicht verändert? Denn im Prinzip kann jeder, der einen Laptop hat, auch DJ sein.

Bebetta: Das ist heute tatsächlich, man muss fast sagen: leider, so. Auch mich sprechen dauernd Leute an: Du, ich bin übrigens DJ. Manchmal habe ich den Eindruck, dass die Hälfte der Leute auf der Tanzfläche sich als DJ sehen. Mir erzählen auch oft Booker, dass sie mittlerweile völlig überlaufen sind von DJ-Anfragen. Aber für mich ist DJing mehr als das Synchronisieren von zwei Liedern. Wenn man sich heute in diesem Geschäft etablieren will, dann muss man sich schon etwas mehr einfallen lassen, um aus der Masse herauszustechen.

Du sprichst es an, hinter dem Leben als DJ steckt sehr viel mehr als die Auftritte an sich. Macht Dir zum Beispiel der mit dem Reisen verbundene Stress nichts aus?

Bebetta: Es ist schon anstrengend, keine Frage. Denn wenn man an einem Wochenende in drei verschiedenen Städten auflegt, dann bedeutet das nicht zuletzt wenig Schlaf. Teilweise bin ich neun Stunden mit der Bahn unterwegs, was schon schlaucht. Ich nehme keine Mittelchen, um mich künstlich wach zu halten, sondern trinke höchstens mal einen Kaffee. Ein Extrembeispiel für Reisestress war mein Auftritt in Vietnam. Ich war dafür nur vier Tage von zuhause weg, zwei davon habe ich im Flugzeug verbracht und nur zwei tatsächlich in Vietnam. Irgendwie habe ich das gar nicht realisiert, dass ich gerade tatsächlich in Vietnam gespielt habe. Eine merkwürdige Erfahrung, was aber nicht heißen soll, dass ich nicht hin und wieder mal im Ausland spielen möchte.

Klingt auf jeden Fall so, als wäre das Leben in der elektronischen Welt nicht ohne.

Bebetta: Das ist es ganz sicher nicht. Die Leute sehen immer nur die gefeierten Auftritte, aber dahinter steckt viel mehr. Am Anfang muss man sich noch selbst um die Bookings kümmern, um überhaupt Auftritte zu bekommen. Dann muss man sich auch mit der Tatsache abfinden, dass nicht allen Leuten gefällt, was man hier macht. Mit dieser Form von Kritik umzugehen, war für mich am Anfang sehr schwierig, da ich ohnehin ein sehr selbstkritischer Mensch bin. Man muss definitiv sehr belastbar sein, nicht nur physisch, sondern auch psychisch.

Mal zu einem anderen Thema. Die deutsche Elektroszene ist sehr männerdominiert. Hast Du diesen Eindruck auch und wie ist das zu erklären?

Bebetta: Das ist schon richtig, aber ehrlich gesagt habe ich keine wirkliche Erklärung dafür. Ich bekomme selbst oft Anfragen von Veranstaltern, die einen Abend organisieren wollen, bei dem nur Frauen auflegen. Ob ich denn nicht irgendjemanden kenne? Ich leite das natürlich an mir bekannte Frauen weiter, bekomme aber dann häufig keine Antwort, was eigentlich total schade ist. Denn ich weiß, dass diese Frauen Potential haben und woher manchmal diese Scheu kommt, ist für mich schwer nachzuvollziehen.

Seit „Herr Kapellmeister“ ist ja doch schon eine ganze Weile vergangen. Wann gibt es endlich mal wieder eine neue Platte von Dir?

Bebetta: Wie gesagt, da mir in diesem Bereich etwas die Erfahrung fehlt, dauert es leider immer noch ein wenig, bis ich neue Sachen fertig bekomme. Aber im März oder April kommt meine neue E.P. heraus, auf der zwei brandneue Tracks von mir drauf sind. So viel sei verraten: Einer der Titel wird etwas mit monstermäßigem Niesen zu tun haben (lacht). Zusätzlich wird es einen Remix von Rich Vom Dorf geben. Wahrscheinlich wird das Teil auf einem Unterlabel von Damm Records erscheinen, was aber noch nicht endgültig geklärt ist. Und da ich auch sehr gerne zeichne, werde ich versuchen, auch für diese Platte wieder das Cover selbst zu gestalten. Hinzu kommen jede Menge Remixe, die ich in letzter Zeit produziert habe. Der nächste, der veröffentlicht wird, ist wahrscheinlich mein Remix für Vamos Arts „My Shoes“.

Du bist ja auch das neueste Mitglied der Kallias-Crew.

Bebetta: Stimmt, darüber freue ich mich sehr. Ich habe letztens auf der Label-Night in Berlin auch schon Alle Farben, KlangKuenstler und Tonarmee kennengelernt, alles sehr nette Jungs. Mein Eindruck ist, dass es da sehr familiär zugeht. Allein durch die Kallias-Label-Nights habe ich jetzt schon Bookings bis Dezember bekommen und es wird natürlich darüber hinaus noch jede Menge zusätzliche Auftritte geben. Ich denke, dass 2013 ein sehr interessantes Jahr werden wird…

Foto by Ina Peters

Zeichnung: Selbstporträt (von Bebetta selbst gezeichnet)

3 Gedanken zu „„Ich stecke noch in der Entwicklungsphase“

    • Ja, ich kenne diese Diskussionen natürlich. Bei mir ist es genau umgekehrt: Warum muss ständig alles kategorisiert werden? Diese Streitereien auf YouTube oder Facebook, ob ein Lied jetzt Tech-Minimal-Deep-House oder doch eher Schranz-Trance-Dance-Techstep-frag-mich-nicht-was ist, nerven mich schon länger. Ich versuche daher, sie so gut es geht zu vermeiden, obwohl das natürlich nicht immer möglich ist. Mir geht es in erster Linie um gute Musik, in welche elektronische Schublade sie korrekterweise zu stecken ist, interessiert mich dabei nur sekundär…

  1. Sehr Schönes Interview…von einem DJ…
    Natürlich und Fröhlich mit den Augen bei der Crowd und dem Ohr am Beat..
    und Leider Stimmt Es…
    Viele Veranstaltungen haben Nur Noch CDJ`s o. Console…
    Dennoch Bleibt Vinyl die Königklasse und Bebetta beherrscht Dieses..
    Hab es Selbst Gehört und Gesehen!

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