Stereo Express: Das Wesen der Träume

Es ist gar nicht leicht, in der elektronischen Untergrund-Szene einen veritablen Hit zu landen. Stereo Express hat dies mit seiner Neuinterpretation des 80er-Jahre-Hits „Sweet Dreams“ geschafft. Dabei ist er nicht der Erste, der die Eurythmics-Nummer neu interpretiert hat. Doch seine Version kommt in jedem Fall positiver und tanzbarer daher als so manche ältere Variante. Dennoch sollte man die Musik des Belgiers nicht auf dieses eine Lied reduzieren.

Von Sebastian Binder  

Süße Träume sind nun einmal daraus gemacht. Und wer bin ich schon, um dem nicht zuzustimmen? Diese Frage haben sich eine Menge Bands, Künstler und natürlich auch Fans in den letzten knapp 30 Jahren gestellt. Denn es war im Jahr 1983 als Eurythmics ihren Mega-Hit „Sweet Dreams“ veröffentlichten. Das Lied war eine typische 80er-Jahre-Nummer, die auf der damaligen New-Wave-Synthie-Welle schwomm. Was war also das besondere an diesem Lied? Man wird das Gefühl nicht los, dass es weniger Musik und Gesang, sondern vielmehr der Text über das Wesen der Träume ist: „Manche von ihnen wollen dich benutzen, manche wollen von dir benutzt werden. Manche wollen dich missbrauchen, manche wollen selbst missbraucht werden.“ Es gibt wahrscheinlich keinen Songtext, der die Faszination von Träumen, aber auch die Angst, die sie verbreiten können, derart klar und prägnant auf den Punkt bringt. Dennoch haben sich Annie Lennox und Dave Stuart damals wahrscheinlich nicht vorstellen können, wie sich ihr Lied über Träume in den nächsten Jahrzehnten entwickeln wird. Denn es gibt wohl wenige Hits in der Musikgeschichte, die so oft gecovert, geremixed oder zumindest gesampelt worden sind. Die bekannteste Neuinterpretation von „Sweet Dreams“ hat dabei wahrscheinlich Marilyn Manson geschaffen. Der Schockrocker verstand es, dem ohnehin schon dunklen Lied nochmal eine zusätzlich schwarze Note zu verleihen und so überrascht es nicht, dass ihm letztendlich dieser Track zum weltweiten Durchbruch verholfen hat.

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Es ist so eine Frage, ob man Stereo Express‘ Version von „Sweet Dreams“ als seinen „Durchbruch“ bezeichnen kann. Schließlich produziert Chris schon seit einiger Zeit feinen Elektro. Doch mit seinem auf Shaker Plates veröffentlichten „Sweet Dreams“ hat er seinen Bekanntheitsgrad exorbitant gesteigert oder den Express-Zug Richtung Erfolg genommen, wenn man einmal ein plattes Wortspiel mit seinem Künstlernamen abziehen will. Deutlich über zwei Millionen Views (Stand: Januar 2012) hat das zum Lied dazugehörige Video auf YouTube bereits, eine exorbitant hohe Zahl in der elektronischen Underground-Szene. „C-R-A-Z-Y“, kommentierte denn auch Stereo Express selbst dieses Ereignis auf seiner Facebook-Seite und das ist es wohl tatsächlich: Ein bisschen verrückt. Doch andererseits, wie abwegig ist es denn wirklich? Denn Tatsache ist, dass Stereo Express auf jeden Fall eine verdammt gute Neuinterpretation dieses Ultraklassikers geschaffen hat. Dazu trägt auch bei, dass er nicht einfach Sound und Vocals von Eurythmics gesampelt hat, sondern sich mit R. Block (Gesang und Gitarre), Ester Catoir (Backing Vocals) und Michiel ‚Sakso‘ Hofman (Saxophone, wie könnte es anders sein) drei ausgezeichnete Musiker ins Studio geholt hat und damit dem Klassiker einen äußerst frischen Anstrich verleiht. Das stylische Video tut ein übrigens, um beim Hören und Sehen sofort gute Laune zu erzeugen. Die Stereo Express‘sche Version von „Sweet Dreams“ kommt somit in jedem Fall deutlich lebensbejahender daher als die des Sexsymbol-Massenmörderguru-Zwitterwesens und lässt einen definitiv keine Alpträume haben.

Doch wer nun denkt, dass „Sweet Dreams“ die einzige anhörbare Nummer ist, die Stereo Express jemals im Studio zusammengezimmert hat, ist definitiv auf dem Holzweg. Brillant, für viele eingefleischte Elektrohörer vielleicht sogar besser als seine süßen Träume, ist zum Beispiel sein „La Vie En Rose“, das er zusammen mit Orlando produziert hat. Nicht anders sieht es mit „Lodi Los Gehen“ aus, das derart positiv anschiebt, dass man auf der Tanzfläche aus dem Grinsen nicht mehr herauskommt. Und auch als Remixer hat Stereo Express bereits die ein oder andere Duftmarke gesetzt. Seine Versionen von AKA AKA und Thalstroems „Tes Strephaenze“ oder von Max Dukes „No Good“ sollte man unbedingt einmal durch die elektrisch aufgeladenen Gehirnwindungen ziehen lassen. Es verwundert daher nicht, dass ihn sich die AKA AKAs geschnappt und Stereo Express bei Burlesque Musique unter Vertrag genommen haben.

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Und auch als DJ hat es der Belgier unbestritten drauf, was einem schnell klar wird, wenn man auf Soundcloud ein paar Sets von ihm durchhört. Interessanter wird es allerdings fast, wenn er mit seinen Sweet-Dreams-Musikern performt und dabei zeigt, dass sich Instrumentalmusik und DJing keineswegs ausschließen, sondern sich durch die Symbiose für die Crowd ein durchdringendes Live-Erlebnis ergibt, das diesen Namen tatsächlich auch verdient. Sieht man sich insbesondere die Auftritte mit Michiel Hofman am Saxophon an, so fühlt sich der geübte Elektrohörer sofort ein bisschen an AKA AKAs Liveperformances mit Thalstroem erinnert, vielleicht in einer jazzigeren, leicht entspannteren Variante. Dieser Trend, dass DJs auf der Bühne mit Livemusikern zusammenarbeiten, scheint mehr und mehr in Mode zu kommen, denn neben den bereits genannten DJs verfolgt beispielsweise auch Thomas Lizzara dieses Konzept. Und dabei zeigt sich ganz deutlich, dass es bei elektronischer Musik um mehr geht, als zwei Lieder ineinanderfließen zu lassen und dabei an ein paar Knöpfen zu drehen.

Es wird interessant zu sehen sein, wie Stereo Express mit dem Erfolg von „Sweet Dreams“ umgeht, ob er nachlegen oder ihn vielleicht sogar toppen kann. Derzeit verwendet Chris zusammen mit seinem Partner Slow Mo viel Zeit in den Aufbau seines neuen Labels „Love Matters“ und dabei einen Hit wie „Sweet Dreams“ als Anschubhilfe im Gepäck zu haben, erscheint nicht als das schlechteste Szenario. Ende März ist wohl mit der ersten Veröffentlichung von Stereo Express und Slow Mo auf ihrem neuen Label zu rechnen. Man darf also gespannt sein, welche Beats, bei denen die Liebe eine Rolle spielt, uns demnächst aus Belgien erreichen. Und bis dahin lassen wir alle brav vor dem Schlafengehen noch einmal dieses Lied über die süßen Träume laufen. Denn damit ist eine alptraumfreie Nachtruhe fast garantiert. Außer man hört die Marilyn-Manson-Version…