Claptone: Maskenmusik

Das Mysteriöse hat die Menschen schon immer fasziniert und daher haben sich auch viele Künstler gedacht, dass das Geheimnisvolle das Interesse an ihnen steigern wird. Eine der mysteriösesten Erscheinungen in der Elektrowelt ist derzeit Claptone. In der Öffentlichkeit tritt dieses Wesen nur mit goldener Vogelmaske in Erscheinung. Und die Fans wundern sich wahrscheinlich ebenso wie der Verfasser dieses Texts, ob sich dahinter nur eine Person verbirgt.

Von Sebastian Binder  

Stellen wir uns vor, wir würden in irgendeiner längst vergessenen Welt leben. In dieser Welt gibt es eine seltsame Wesensform, die durch die Gegend fliegt und zieht und träumt. Dieses Wesen trägt eine goldene Maske, einem Vogel ähnlich, mit einem langen, spitzen Schnabel, und darum bezeichnen die Menschen dieses Etwas seit damals… Moment, dazu kommen wir gleich. Dieses Wesen wanderte jedenfalls über Jahrhunderte durch die Gegend, nahm dabei die mysteriöse Magie und die Melancholie dieser intrigenbehafteten Welt in sich auf, bis diese Welt es endlich schnallte, mit was für einem Monster von musikalischer Macht sie es hier zu tun hat. Klingt seltsam? Klingt verwirrend? Klingt mysteriös?

Nun, das soll wohl auch so sein, denn dies ist die Hintergrundgeschichte, die sich Claptone für sein Künstler-Alter-Ego ausgedacht hat. Auch Claptone verbirgt sein wahres Antlitz hinter einer Maske, eine Sache, die in der Musikhistorie mittlerweile Tradition hat. Von Slipknot über Sido bis hin zu Chartrapper Cro, Masken sind ein gewisses Markenzeichen geworden, das einer Band oder einem Künstler sofort einen Wiedererkennungswert einräumt. Auch in der elektronischen Musikwelt sind Masken nicht ungewöhnlich, siehe zum Beispiel Cyberpunkers oder die wohl bekannteste Wir-zeigen-unser-Gesicht-nicht-Band Daft Punk. Was auch der ausschlaggebende Grund für Claptones Tragen einer Maske gewesen sein mag, eines hat er damit erreicht: Er hat Interesse an seiner Person erweckt, denn die Leute stehen nun einmal auf das Mysteriöse, leicht Abseitige. Geheimnisse sind etwas, was die Menschen schon immer fasziniert hat und wenn man daher um sich selbst ein Geheimnis macht, kann das in den wenigsten Fällen schaden. Aber es wäre nun natürlich Schwachsinn, zu behaupten, dass das Interesse an Claptone seit dem letzten Jahr so massiv gewachsen ist, weil er in der Öffentlichkeit eine Maske trägt. Ganz und gar nicht.

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Vielmehr liegt das an seiner ersten Veröffentlichung „Cream“, die 2012 auf Exploited Records erschienen ist. Kennern der goldenen Zeit des HipHops (ja, der 1990er) wird natürlich sofort aufgefallen sein, dass dieses Lied denselben Titel trägt wie Wu-Tangs Klassiker aus ihrem Rap-Meilenstein „Enter The 36 Chambers“. Natürlich kein Zufall, denn Claptone sampelt RZAs Beat und verwandelt ihn in eine äußerst eingängige Deep-House-Nummer, die dem Klassiker auf jeden Fall den Respekt entgegenbringt, der ihm auch gebührt. Dabei ist es nicht so, dass sich Claptone auf das durchlaufende Sample des Wu-Tang-Burners beschränkt. Nach dreieihnhalb Minuten bringt er seine eigene Geigenmelodie zum Vorschein, die wie die Faust aufs Auge passt und beweist, dass dieser Track sehr vielmehr ist als ein billiger Wu-Abklatsch, den man auf 125 Beats pro Minute gepitcht hat. Beim Betrachten des äußerst verstrahlten Videos kommt man als Wu-Tang-Fan dennoch nicht darum herum, irgendwann „Cash Rules Everything Around Me. Cream, Get The Money, Dollar, Dollar Bill Y‘All“ herauszuschreien. Möglicherweise ein kleines Relikt aus der Hochzeit des Raps. Zudem ist es äußerst interessant zu sehen, wie positiv das Video auf YouTube aufgenommen wird. Denn in der Regel ist es so, dass HipHop-Heads wenige Dinge mehr hassen, als wenn ihre Lieblingslieder in einer neuen Version erscheinen, vor allem als Elektronummer. Doch bei Claptones „Cream“ ist von Hatern kaum etwas zu sehen, wahrscheinlich, weil selbst der eingefleischteste HipHop-Fan zugeben muss, dass es sich hier um ein verf***t gutes Lied handelt.

Es erscheint daher fast logisch, dass Cream dem Maskenmann zum internationalen Durchbruch verholfen hat. Und deshalb dachte er sich wohl: „Warum nicht gleich in diesem Stil weitermachen?“ Eine gute Entscheidung, denn mit „Shook“, das ein Sample von Mobb Deeps „Shook Ones Part Two“ benutzt und mit seinem neuesten Streich „Wrong“, das Dr. Dres Hit „Still D.R.E.“ sampelt, hat Claptone zwei weitere starke Neuversionen von HipHop-Klassikern geschaffen. Dass Claptone aber nicht nur guten Sound produziert, wenn er auf weltbekannte HipHop-Samples setzt, beweist er hingegen mit den ebenfalls sehr anhörbaren Tracks „No Eyes“ mit Jaw zusammen und der Bassbombe „Weekend“. Hm, je länger ich darüber nachdenke und schreibe, um so mehr stellt sich mir die Frage, ob hinter dem Produzenten-Etwas von Claptone tatsächlich nur eine Person steckt oder ob es sich hier doch um ein Produzenten-Kollektiv handelt. Weiß hier irgendjemand mehr? Eigentlich ist es egal, denn wie wusste schon Albert Einstein: „Das Schönste, was wir erleben können, ist das Geheimnisvolle.“

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Tatsache ist jedenfalls, dass der DJ Claptone immer allein mit seiner Maske auftritt und die Locations dabei in einen skurril-kochenden Vogelkäfig verwandelt. Und dank des Erfolgs von „Cream“ wurde die goldene Vogelmaske bereits hinter den Decks in Berlin, Paris, Shanghai, New York oder Melbourne gesichtet. Der Goldvogel geht also auf musikalische Wanderschaft und er kommt dabei ordentlich herum, mit feinem Deep House und ordentlichem HipHop-Einschlag im Gepäck.

Daher: Wen interessiert‘s, ob dieses Claptone nun eine oder mehrere Personen ist? Solange von diesem goldenen Vogelwesen weiterhin so guter Sound geliefert wird, spielt das für mich keine allzu große Rolle. Obwohl, eigentlich wäre das ja eine gute Geschichte für elektro-chronisten.de: „Claptone zeigt exklusiv sein wahres Antlitz!“ Wer mir also Fotos von diesem Claptone ohne Maske liefert, bekommt hunderttausend Drachmen in nachdatierten griechischen Staatsanleihen ausbezahlt. Na gut, ich gebe zu, so viel Geld besitzt der Betreiber dieser Seite nicht. Lassen wir die Maske also da, wo sie hingehört und konzentrieren uns lieber auf den Sound von Claptone. Vorerst…

Foto: Nur eine, nicht die Claptone-Maske

Copyright: Srowdrowa, zur Verfügung gestellt auf Wikimedia (CC-Lizenz)

Bearbeitung: Sebastian Binder

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