Pilocka Krach: Gitarre spielen wie ein Fisch im Wasser

Es gibt Künstler, die sich ein wenig aus der breiteren Masse der deutschen Elektrowelt heraus-kristallisieren. Pilocka Krach ist so eine Künstlerin. Ihr Sound hat etwas fröhlich-eigensinniges, wozu nicht nur die manchmal verstörenden Krach-Passagen beitragen. Möglicherweise hängt das mit ihrer leicht speziellen Sammelleidenschaft zusammen. Höchste Zeit also, die krachende Pilocka einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.

Von Sebastian Binder  

Ja, die Menschen sammeln gerne. Manche Briefmarken, andere Überraschungseifiguren, wieder andere kaputte Teetassen und ganz andere getragene Unterhosen von verblichenen Stummfilmstars. Die Kreativität der Menschen scheint kaum Grenzen zu kennen, wenn es um die Befriedigung ihrer Sammelleidenschaft geht. Ist es daher besonders skurill oder außergewöhnlich, wenn eine Person von sich sagt, dass sie „Geräusche sammelt wie Bienen den Honig“? Vielleicht, vielleicht auch nicht.

In der deutschen Elektrolandschaft gibt es tatsächlich eine Künstlerin, die genau das von sich behauptet. Wer ist also dieser Mensch, der mit dieser doch recht ungewöhnlichen Selbstbeschreibung aufwartet? Schon der Name steht für eine signifikante Einzigartigkeit, der, einmal gehört, kaum noch aus dem Gedächtnis zu löschen ist: Pilocka Krach. Kann sich der geneigte Elektrohörer unter „Krach“ noch etwas vorstellen, wird es bei „Pilocka“ schon deutlich schwieriger. Am ehesten würde man bei diesem Namen wahrscheinlich darauf tippen, dass man es mit einer Figur aus einem Astrid-Lindgren-Roman zu tun hat. Aber auch in einer derartigen Geschichte wäre Pilocka Krach wahrscheinlich ähnlich deplatziert wie beim Tanzabend im Seniorenzentrum. Womöglich, nein, mit größter Sicherheit liegt das dabei an ihrem Sound. Tatsächlich, die Musik von Pilocka Krach hat in gewisser Hinsicht etwas mit ihrem Nachnamen zu tun, allerdings auf eine kunstvolle Art und Weise, die man in dieser Form nicht allzu oft im hiesigen Elektrokosmos findet.

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Eigentlich sind ihre Lieder von der Grundstruktur meist fröhliche, antreibende Nummern, bei denen sich stets ein Element, sei es eine Melodie, ein Sprachsample, eine Bassline, finden lässt, mit dem man sich als Freund des elektronischen Frohsinns sofort identifizieren kann. Doch dann kommt meist eine Passage, die im wahrsten Sinne des Wortes durch das Lied kracht, es verzerrt, mit der fröhlichen Grundstruktur bricht. Wenn man zum ersten Mal Pilocka Krach hört, mag man ob dieses Umstands zunächst ein wenig irritiert sein, doch wenn man sich an diesen krachenden Bruch gewöhnt hat, dann stellt man fest, dass es erstens sehr gut zu den Liedern passt und ihnen zweitens dadurch ein Alleinstellungsmerkmal verliehen wird. Das beste Beispiel für diese These ist vielleicht ihr Track „Wild Pete feat. I Don‘t Know His Name“, wobei nicht ganz klar ist, ob „I Don‘t Know His Name“ für eine real existierende Person steht oder ob es nur der Aufblähung des Tracktitels dient. Wie dem auch sei, jedenfalls haben wir eine nett gesungene Melodie (Ba-babababa-baba) über einem antreibenden Beat, zu der man nur mitwippen und -zucken kann, bis plötzlich eine verzerrte Bassline einsetzt und sich der lustig klatschende Elektroschunkler denkt: „Moment, wo kommt die denn plötzlich her?“ Aber dann wird einem klar: „Ah, Pilocka Krach, irgendwie war das zu erwarten.“ Auch die anderen beiden Tracks ihrer neuen EP, die den malerischen Titel „Schlager“ trägt und auf Katermukke erschienen ist, sind dabei mehr als anhörenswert. „Osama“ ist gut (nein, nein, nur auf das Pilocka-Krach-Lied bezogen, liebe CIA), aber „Fisch im Wasser“ ist sogar noch ein Stück besser. Vor allem die transzendierende Titelline „Sie will ein…, sie will ein…, sie will ein Fisch im Wasser sein!“ geht einem so schnell nicht mehr aus dem Kopf, denn sie erinnert fatal-schön an das vielleicht beste Lied von Pilocka Krach: „Gitarre spielen“. Man kann der Erzählstimme in diesem Track nur jedes mal nickend beipflichten, wenn sie konstatiert: „Ich würd‘ gern Gitarre spielen können wie Bob Dylan.“ Natürlich, wer nicht, denn wenn es um Musik geht, mit der sich jeder Liebhaber irgendwie arrangieren kann, dann ist es wahrscheinlich der Sound von Bob Dylan. Besonders spaßig am Pilocka-Track ist dabei, dass es neben dem eingängigen Folk-Gitarren-Sample auch noch ein reißendes 70er-Jahre-Dylan-E-Gitarren-Solo gibt, das, nun ja, irgendwie Krach macht.

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Aber woher kommt nun dieser ausgeprägte Hang zum Gedröhne von Miss K.? Auf ihrer Facebook-Seite heißt es: „Madame Krach sammelt Geräusche wie Bienen den Honig.“ Womit wir wieder bei der Einleitung dieses Textes wären. Die Frage ist nun: Wozu? „Dann verwandelt sie den Datenurin in einen geschüttelten Martini mit Birne.“ Ah, jetzt ergibt alles Sinn. Oder auch nicht. Aber egal, Fakt ist jedenfalls, dass Pilocka Krach einen sehr eigenständigen Sound aus ihrem Studio prügelt und wie dieser nun zustande kommt, ob mit Honigbienenblumen oder Martinis auf Birnenurin, ist dabei ohnehin zweitrangig. Wichtig ist, dass die Leute den Sound feiern und das ist bei Fräulein Krach durchaus der Fall, was ihre beachtliche Anzahl an Bookings belegt. Vor allem ihre Live-Performances sind dabei das Anhören wert und wenn man dieses Sammlerwesen an den Controllern stehen sieht, ein aufmunterndes „Discolights, Dis-Dis-Discolights“ aus den Boxen dringt und der Beat zu pumpen anfängt, dann weiß man, dass man in dieser Nacht ordentlich pilockanischen Krach um die Ohren geschlagen bekommt. Und diese Erfahrung sollte man als Freund der elektronischen Tanzmusik durchaus einmal gesammelt haben…