youAND:THEMACHINES: Klangvisionen

Vielen Freunden der elektronischen Musik wird Martin Müller wahrscheinlich als eine Hälfte von youANDme ein Begriff sein. Mit dem Projekt youAND:THEMACHINES legt er nun ein beachtliches Solodebüt hin. Sein Album „Behind“ strotzt nur so vor guten Ideen und unterschiedlichsten Sounds und ist definitiv eine Erfahrung, die man als Freund der elektronischen Klangwelten einmal gemacht haben sollte.

Von Sebastian Binder  

Zunächst könnte man denken, dass man sich in einer düsteren Zukunftsvision befindet, wenn man diesen Namen zum ersten Mal hört. In einer postapokalyptischen Film-Noir-Welt, in der die Maschinen die Macht übernommen haben und sich die Menschen wahlweise vor ihnen fürchten oder mit ihnen verschmelzen. Es geht um die Frage, ob es noch Unterschiede zwischen Mensch und Maschine gibt oder ob wir, bewusst oder unbewusst, längst selbst zu einem Androiden-Wesen geworden sind und nicht mehr wissen, welche unserer Handlungen nun menschlich oder doch von künstlicher Hand gesteuert ist. Wie gesagt, das ist nur eine Assoziation, aber womöglich ist sie in diesem Fall gar nicht einmal so weit hergeholt.

youAND:THEMACHINES heißt das neue Projekt von Martin Müller und sicherlich könnte dieser Name auch dem Gehirn von Ridley Scott oder James Cameron entsprungen sein. Leute, die sich mit elektronischer Musik ein wenig auskennen, wissen aber natürlich, dass es mit diesem Namen etwas anderes auf sich hat. Martin ist eine Hälfte des bereits seit langer Zeit etablierten Projekts youANDme und ist derzeit auf Solopfaden unterwegs, daher auch die Namensabwandlung, wie er im Gespräch mit elektro-chronisten.de erzählt: „Ich wollte nicht ganz von youANDme abrücken und da ich fast alle Sounds mit alten, analogen Maschinen eingespielt habe, lag der Name youAND:THEMACHINES nahe.“ In Zeiten von Ableton und Co. klingt das fast nach einem Anachronismus und man könnte meinen, dass die zuvor beschworene Zukunftsvision dadurch ins Wanken gerät. Doch hier täuscht man sich, denn tatsächlich hat youAND:THEMACHINES mit seinem auf Ornaments erschienenen „Behind“ ein erstaunliches Debütalbum hingelegt, das man durchaus als visionär, vielleicht sogar zukunftsweisend bezeichnen kann, obwohl oder gerade weil es sich aktuellen Trends in der elektronischen Tanzmusik weitgehend verschließt und sich auf diese Weise durchaus wohltuend abhebt.

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„Bei ‚Behind‘ war die Idee, dass ich ein sehr deepes und emotionales Album machen wollte, indem ich alle meine Einflüsse, die mich über die Jahre geprägt haben, verarbeite“, beschreibt Martin das Konzept des Albums. „Deshalb findet man Dub Techno, Ambient, Downbeats, Detroit Techno oder auch House auf der LP. Natürlich wäre es sicher aus promotionstechnischen Gesichtspunkten einfacher gewesen, wenn man auf einen aktuellen Trend aufgesprungen wäre, aber das hätte sich für mich nicht ehrlich angefühlt.“ Nun, man kann ihn zu dieser Entscheidung nur beglückwünschen. Schon der zweite Track „Perception“ (feat. Brothers‘ Vibe) macht schnell klar, dass man es mit keinem gewöhnlichen Album zu tun hat. Und spätestens wenn das brillante „Drift“ mit Bajka einsetzt, weiß man, dass man als Elektrofan genau an der richtigen Stelle gelandet ist, denn dieses Lied ist entspannend, verstörend, antreibend und anmutig zugleich, Elemente, die man nicht so oft in einem einzigen Track findet.

Wie kommt man nun zu einem derartigen Sound? „Ich bin ein ziemlicher Analog-Freak und sammle seit Jahren alte Drum Machines, Synthesizer und Effektgeräte. Bei diesem Album war eins der Konzepte, dass ich alle Sounds mit analogen Kisten, von echten Instrumenten oder durch Field Recordings erzeuge. Man hat sofort einen schönen, dicken, warmen Grundsound und vor allem ist die Interaktion mit einem „richtigen“ Instrument viel direkter, als alles mit der Computermaus zu machen“, erklärt Martin seine Vorgehensweise beim Produzieren. Erstaunlich an diesem Album ist dabei die Bandbreite der Tracks. Sie geht von Chill-Out-Nummern wie „Sansula“ über Tanzflurkracher wie „Domain Spezific“ bis zu völlig unkategorisierbaren Tracks wie „Sick“, bei dem der Name tatsächlich Programm ist.

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Vor allem die Gastmusiker geben dem Album einen besonderen Drive, was für youAND:THEMACHINES augenscheinlich eine spannende Erfahrung war: „Ich hab eigentlich noch nie vorher so intensiv mit Sänger/innen gearbeitet. Meistens hat man z.B. für einen Remix die fertigen Gesangsspuren bekommen und dann einen Track darum gebaut. Bei dem Album war es spannend, mal einen anderen Weg zu gehen“, so Martin: „Es entstanden zuerst Skizzen von den Tracks und dann habe ich überlegt, welche Stimme am besten dazu passen könnte. Dann hat man zusammen mit dem Vocal Artist eine Idee entwickelt und diese für den Track realisiert. Ich habe Gastbeiträge von Robert Owens, Brothers‘ Vibe, Delhia De France, Bajka oder Keter Darker und jede dieser Stimmen ist eine Bereicherung für das Album. Außerdem spielte Olga Kholodnaia bei drei Tracks Geige, Michal Matlak das E-Piano bei ‚Sway‘ und Martin Kohlstedt das Rhodes bei ‚Inner Connected‘.“ Nicht zuletzt der Track mit Robert Owens ist eine äußerst verspulte Nummer geworden, die nur jedem empfohlen werden kann, der seine elektronischen Hörgewohnheiten um ein paar neue Klänge erweitern möchte.

Aber wie ist Martin denn nun überhaupt in der elektronischen Klangwelt gelandet? „Aufgewachsen bin ich in einem kleinen Dorf in Thüringen und als ich 13 oder 14 Jahre alt war, hörten meine Kumpels vor allem Rock und Heavy Metal, was aber nie so richtig meins war“, erinnert er sich an seine Anfänge. „Damals gab es ja noch kein Internet und die einzige Informationsquelle war das Radio. So hab ich immer jeden Samstag die HR3 Clubnight mitgeschnitten und besonders Sven Väth und DJ Pierre (RIP) waren da meine größten Inspirationsquellen.“ Zusammen mit Daniel Ströter wurde er später, wie gesagt, unter dem Namen youANDme bekannt und zusammen kreierten sich nicht zuletzt einige beachtliche Remixe für Größen wie Seth Troxler, Timo Maas oder Kollektiv Turmstrasse, um nur einige zu nennen. Das Soloprojekt youAND:THEMACHINES bedeutet dabei aber keineswegs, dass es mit youANDme nicht weitergeht, wie Martin versichert: „youAND:THEMACHINES war bis jetzt nur ein temporäres Projekt für das Soloalbum. Daniel und ich spielen auch weiterhin viele Gigs am Wochenende als youANDme und werden auch wieder mehr Zeit für gemeinsame Produktionen im Studio finden.“ Nun, das ist doch schön zu hören und so darf man wohl auch in nächster Zeit einiges erwarten: „Wir arbeiten gerade als youANDme an ein paar Remixen. Einer kommt gerade für Timo Maas‘ neues Album „Lifer“ auf Rockets & Ponies raus und ein weiterer entsteht gerade für das neue Album von Brothers Vibe. Außerdem arbeiten wir an der Zusammenstellung des Remix-Albums für „Behind“ und natürlich auch an neuem youANDme Stuff.“

Tja, da kann man als Fan der elektronischen Klangkörper doch mit frohen Erwartungen in die Zukunft blicken. Denn wer hat behauptet, dass die Symbiose zwischen Mensch und Maschine immer negativ sein muss?

 Bild 1: Martin Müller aka youAND:THEMACHINES

Bild 2: Die ersten 333 Vinylpressungen von „Behind“ wurden mit einem individuell gestalteten Coverartwork ausgeliefert (leider schon vergriffen). Hier sieht man die Arbeiten dazu…