Einmusik: Schwer zu fassende Soundexperimente

Es gibt Produzenten im elektronischen Deutschland, denen man gar nicht so leicht beikommt, wenn man ihren Sound beschreiben will. Einmusik ist so ein Fall und das liegt nicht zuletzt an der gigantischen Zahl an Tracks, die er in seiner ziemlich langen Karriere bereits veröffentlicht hat. Man sollte sich also einmal auf die Spuren, der einmusikalischen Sounds begeben, in das Land tiefer Bässe und verstörender Synthesizer…

Von Sebastian Binder  

Kaum fassbar – diese beiden Worte verwendet Einmusik in der Artist Info auf seiner Website ziemlich am Anfang. Nicht zu unrecht, denn tatsächlich ist der Sound von Einmusik nicht so leicht in Worte zu kleiden, in ein festes Korsett zu pressen, wie das bei manch anderem Künstler der Fall sein mag. Das liegt natürlich erst einmal daran, dass Samuel Kindermann – so Einmusiks bürgerlicher Name – schon eine ganze Weile in der elektronischen Musikwelt unterwegs ist. 2003 wurde seine erste Scheibe „Weekender“ veröffentlicht und bereits 2004 gelang ihm mit „Jittery Heritage“ der Einstieg in die German Dance Charts (gibt es die heute eigentlich noch?). Man sollte sich das vor Augen halten, wenn man die Entwicklung nachvollziehen will, die Einmusiks Sound vom damaligen „Jittery Heritage“ bis zu seinem aktuellen Kracher „System“ durchgemacht hat. Denn ohne seinen frühen Veröffentlichungen zu nahe treten zu wollen, das, was Samuel heute produziert, ist auf der musikalischen Evolutionsskala deutlich höher anzusiedeln. Und so sollte es letzten Endes auch sein, denn wenn sich ein Musiker nicht weiterentwickelt, ist er definitiv zum Scheitern verurteilt. Lassen wir die German Dance Charts daher einfach mal außen vor und beschäftigen uns mit Einmusiks aktuelleren Klängen, die – wie die Einleitung schon suggeriert – in ihrer soundtechnischen Vieldeutigkeit schwer zu fassen sind.

Aktuelle EP: System

Nehmen wir also seine aktuelle EP „System“, die sich klangsphärisch mal in eine ganz andere Dimension vorwagt. Der titelgebende Track selbst erscheint zunächst eingängig, positiv angehaucht, leicht konsumierbar. Aber unter dieser Oberfläche befindet sich noch eine zweite Ebene, die „System“ eine ungeheure Tiefe verleiht, und das obwohl oder gerade weil die tonangebenden Synthesizer das Heft in die Hand nehmen und den Hörer in einen berauschenden Klangkosmos entführen. Auch der zweite Track der EP „Voyage“ lädt namensgetreu zu einer Reise ein, die den Entführten auf einen basslastigen Trip mitnimmt, in ein Land voller dunkler Basslines und chargierender, teilweise angsteinflößender Melodieexperimente.

Playlist: Einmusik on elektro-chronisten.de

httpv://www.youtube.com/playlist?list=PL4rTaAOKLemC0WlWjJAqAr1F0r6ADIv8G

Einmusik sollte eigentlich – man möge den Griff in die Wortspielkiste verzeihen – Vielmusik heißen, denn sein Soundausstoß ist enorm. Drei Alben stehen auf der Habenseite, stellvertretend soll hier einmal ein Blick auf das aktuellste „5 A.M“ geworfen werden. Es ist immer clever, ein Album nach dem besten Track zu benennen und Samuel hat es in diesem Fall nicht anders gemacht. „5 A.M.“ folgt einer an sich einfachen Grundmelodie, doch dahinter bauen siche reißende Padspuren auf, die irgendwann wie eine Gewitterwand über den Track walzen. Und die Bassline ist ohnehin über jeden Zweifel erhaben, denn trotz der minimalistischen Ausrichtung gehört sie zum Feinsten, was in den letzten Jahren im elektronischen Deutschland produziert wurde. „5 A.M.“ ist aber nicht der einzige Grund, warum man dem Album als geneigter Hörer elektronischer Klangkunst mal eine Chance geben sollte. Das chansonartige „Bisloa“, das richtig anschiebende „16 Notes“ oder das ziemlich verspulte „Necromancy“ sind ebenfalls drei gute Argumente, warum hier Reinhören fast schon Pflicht ist.

Man könnte dieses Spiel mit den Tracks von Einmusik noch weitertreiben, auf das zur Dauertanzrotation auffordernde „Karussell“ eingehen oder das verstörende Gesangssample von „Damgala“ loben, aber dann würde man irgendwann einen Text vor sich finden, der fast schon biblische Ausmaße hat, ohne überhaupt auf die Remixkünste von Samuel eingegangen zu sein.

Wenn Remixe Tracks besser machen…

Und das wäre schade, denn auch auf diesem Feld hat Einmusik einiges zu bieten. Zum Beispiel seine Version von Benja & Reta Ardours „Cognition“. Wabernde Bässe, klare Drums und immer wieder taucht wie aus dem Nichts eine erfrischende Melodie auf, der sich der Zuhörer kaum entziehen kann. Das gilt in gewisser Weise auch für den Einmusik Remix von Robert Helms „Bläck & White“, der ein perfektes Beispiel für den Einmusik-Touch ist, wenn man sich einmal Original und Remix hintereinander anhört. Ebenfalls eine starke Neuinterpretation ist ihm mit Miss Meleras „Faith“ gelungen, das er mit einem richtig grimmigen Basssegment versehen hat und das man sich nicht nicht nur einmal von Anfang bis Ende reinziehen kann. Richtig gut ist zudem seine Version von Oliver Schories‘ ohnehin schon äußerst tanzbarem Track „Go“ und so mancher würde vielleicht sogar zustimmen, dass dieser Remix sogar noch besser als das Original ist. Hm, wie war das mit dem Text und den biblischen Ausmaßen?

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Man braucht eigentlich gar nicht darauf eingehen, dass jemand mit einer derartigen Range an Tracks und Remixen ein guter DJ beziehungsweise Live-Performer ist, denn selbstverständlich trifft das auf Einmusik zu. Wer sich davon einmal überzeugen möchte, sollte in seine Show auf Ibiza Global Radio reinhören, die es laut Ankündigung nun wieder wöchentlich gibt.

Einmusika: Spielplatz für talentierte Künstler

Vielleicht sollte man daher zum Abschluss noch einen Blick auf Einmusiks eigenes Label werfen. Einmusika Recordings hat sich in den letzten Jahren durchaus einen Namen gemacht und einige renommierte Künstler wie Aka Aka, Dirty Doering, Beatamines und Acid Pauli haben bereits Tracks über dieses Imprint veröffentlicht. Einmusik will sein Label nicht als reine Veröffentlichungsplattform verstanden wissen, sondern als „Spielplatz für ausgewählte und talentierte Produzenten aus der ganzen Welt“. Nun, wenn man sich zum Beispiel die „What You Like“ EP von Rashid Ajami oder die „Lost“ EP von Jonas Saalbach anhört, scheint dieser Anspruch durchaus aufzugehen.

Wenn man diesen Text noch einmal Revue passieren lässt, dann sieht man durchaus, dass Einmusik schon weit gereist ist, was in diesem Fall nicht nur für seine Bookings, sondern vor allem für seine elektronischen Duftmarken, die er in den letzten Jahren gesetzt hat, gilt. Und als Fan finsterer Bässe und verstörender Synthesizer kann man nur hoffen, dass diese Reise noch nicht zu Ende ist und der Einmusiker weiterhin schwer zu fassen bleibt…

Foto-Copyright: Einmusik

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