Radiothérapie: Stratosphärische Klangdimensionen

Tiefe Beats, verspulte Melodien garniert mit ungewöhnlichen Soundmixturen: Die Musik von Radiothérapie kann sich definitiv hören lassen. Das beweist er nicht zuletzt mit seiner aktuellen EP „Stratos“, die durchaus höheren sphärischen Ansprüchen genügt. Auch als DJ hat sich der Soundtherapeut mittlerweile etabliert. Nur sein Künstlername hat zugegebenermaßen etwas leicht Grusliges, wenn man sich näher mit ihm beschäftigt.

Von Sebastian Binder  

Musik als Heilung, als das tiefergehende Element, das auf auf einer ganz anderen Ebene ansetzt, und durch das Fühlen der intonisierten Bewegung zu körperlicher und – fast noch wichtiger – geistiger Gesundheit führt. Vielleicht ist es daher gar nicht so verkehrt, sich als Musiker einen Künstlernamen zuzulegen, in dem das Wort „Therapie“ vorkommt, denn was ist Musik schon anderes, wenn man nach einem viel zu langen Arbeitstag nach Hause kommt und auf seiner Couch zusammensinkt? Aus diesem Blickwinkel betrachtet dachte ich, als ich den Namen „Radiothérapie“ das erste Mal las,: „Okay, das macht durchaus Sinn. Radio = Musik + Therapie, ein Künstlername, den ich verstehe.“ Nur der accent aigu über dem e wunderte mich etwas und daher fragte ich Manuel – so Radiothérapies richtiger Name – natürlich danach, was es damit eigentlich auf sich hat: „Radiothérapie kommt aus dem Französischen und bedeutet Strahlentherapie. Der Accent spiegelt nur die korrekte grammatikalische Schreibweise wieder“, sagt er gegenüber elektro-chronisten.de. Hm, jetzt wird es doch ein wenig gruslig, warum also dieser Name? „Um ehrlich zu sein ist das ein Überbleibsel eines alten Chat-Nicknames. Unter dem Namen bin ich in dem einen oder anderen Forum gewesen und deshalb hat es sich sehr natürlich angefühlt, das zu übernehmen.“ Nun gut, das kann man ja doch nachvollziehen.

Musik und journalistischer Anspruch?

Zugegeben, ich setze mich gerne mit Künstlernamen auseinander, da sie in meinen Augen oft etwas über die Person dahinter und ihre Art, ihren Charakter aussagen. Aber natürlich beschäftige ich mich bevorzugt mit der Musik, denn letzten Endes ist es das, worauf es ankommt und nicht das Etikett, das auf dem Albumcover zu lesen ist. Und der radiotherapeutische Sound hat durchaus ein paar interessante Elemente zu bieten, wie ich nach einem ersten Hineinhören feststellte. Eigentlich kommt Manuel ja wie ich aus der Medienecke und beendet gerade sein Journalismusstudium, aber glücklicherweise fand und findet er zwischen Klausuren, Hausarbeiten und Praktika noch Zeit, ein wenig an der Soundschraube zu drehen. „Ich habe zu Anfang meines Studiums vor über drei Jahren eine Radioshow konzipiert, die verschiedene elektronische Gäste im Studio hatte, mit denen man ein wenig herumklimpern konnte“, erzählt er von seinen Anfängen.

Playlist: Radiothérapie on elektro-chronisten.de

httpv://www.youtube.com/playlist?list=PL4rTaAOKLemDdusizS56PkGBwrJx1vmp9

„In diesem Zusammenhang bin ich dann, nachdem ich mich schon ein bis zwei Jahre mit EDM und House beschäftigt hatte, auf den Produzenten Ansgar Scheffold gestoßen. Er war damals, glaube ich, erst 17 Jahre alt, aber produktionstechnisch extrem versiert. Wir haben über die Sendung Kontakt aufgenommen und beschlossen, zum Spaß mal eine Nummer zu produzieren. Aus meiner Idee des Grundkonzepts und seinem Sound entstand „Tiefflug“.“ Und tatsächlich, wenn man sich diesen Track anhört, bekommt man sofort ein gutes Gefühl: Ein entspannter Grundvibe, spannende Klavier- und Syntheziserabschnitte und dann auch Passagen, die ordentlich anschieben – man hat definitiv schon schlechtere Debuts gehört. Von daher verwundert es nicht, dass „das so gut angekommen ist, dass wir weitergemacht haben“. Auch die Tracks „Aedon“ und „Gästezimmer“ von Radiothérapie und Ansgar Scheffold lohnen einmal ein intensiveres Reinhören.

Aktuelle EP „Stratos“

Und auch wenn demnächst wieder etwas Neues von den beiden kommen soll, so ist Radiothérapie derzeit mit seiner EP „Stratos“, die am 22.1.2015 auf dem Münchner Label Neuzeit Recordings erscheint, auf Solopfaden unterwegs. Als ich das Wort „Stratos“ das erste Mal las, war ich unwillkürlich versucht, es um „-sphäre“ zu ergänzen und lag damit nicht einmal so falsch, wie mir Radiothérapie bestätigte: „Sphärik ist da schon der passende Begriff. Ich hatte einen Track namens „Kosmos“ gemacht und wollte dann den passenden „Stratos“ dazu“, beschreibt er seine neue EP. „Der „Kosmos“ hat dann aber doch nicht zur EP gepasst und so war mir der Name „Stratos“ als Titel treffend erschienen, da ich seine Zurückhaltung und die spacige Art fast lieber mag, als den Druck vom zweiten enthaltenen Song „Limone“.“

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Nun sind beide Tracks dieser Therapiesitzung nicht von schlechten Eltern, aber in der Tat katapultiert einen „Stratos“ noch einmal in eine ganz andere Sphäre und man kann sich förmlich vorstellen, wie einem dazu auf der Tanzfläche das Bewusstsein entgleitet. Man erkennt in diesem Track sehr genau, worauf es Radiothérapie beim Produzieren ankommt: „Ich mache Sounds nach Gefühl und nach der Spannung der Elemente, wie diese für mich klingen“, schränkt aber ein: „Ohne dabei sagen zu wollen, dass es das ist, was ich in dem Moment erlebt habe. Vermitteln soll die Musik eigentlich nichts, was tiefer geht – sondern Spaß an Synths weitergeben, die vielleicht so nicht in jedem durchformatieren Track zu hören sind.“ Das trifft auf die „Stratos“-EP in jedem Fall zu, auch die Remixe von Hutenberger, Somniloquist und Below Surface sind mehr als gelungen.

Radiothérapie als DJ: Back to the Roots?

Auch als DJ hat sich Radiothérapie mittlerweile einen Namen gemacht und hat unter anderem schon auf dem Echolot in Wolframs-Eschenbach, dem Münchner Soundbash oder dem Get Lost aufgelegt. Auf letzterem geben sich auch Größen wie Super Flu oder Matador die Klinke in die Hand. Momentan ist er zwar ein DJ der neuen Schule, denn: „Ich lege konsequent auf zwei CDJ 2000ern mit zwei MP3-Sticks auf. Kein Rechner, kein kompliziertes Verkabeln, nur den Kopfhörer und zwei kleine Sticks in der Hosentasche. Mehr brauche ich nicht.“ Und dennoch zieht es auch ihn, wie manch anderen aus der elektronischen Richtung, back to the Roots: „Ich kaufe mehr und mehr Vinyl und habe auch zwei Plattenspieler zuhause, auf denen ich mich schon ab und an ausprobiere. Der nächste Schritt wird also die Integration von Turntables zu den Pioneer CDJs sein. Da mache ich mir aber keinen Druck.“ Nun, den wollen wir natürlich auch nicht aufbauen, aber ein wenig gespannt sind wir schon und werden den weiteren Verlauf der Geschichte im Auge behalten.

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Das gilt auch für Radiothérapie im Allgemeinen, denn er hat wohl für die nächste Zeit einiges im Köcher: „Für 2015 sind im ersten Halbjahr schon einige Gigs fix gemacht. Ich habe auch zwei Tracks mit Kollege Ansgar Scheffold startklar, an die ich sehr glaube. Ich denke, dieses Jahr, vielleicht sogar schon dieses Halbjahr, werden die kommen. Solo will ich im ersten Halbjahr sicherlich ein oder zwei kostenfreie Tracks veröffentlichen und selbstverständlich wird es auch mal wieder einen Mitschnitt oder ein Set mit Sounds, die bei mir gerade ganz oben auf der Liste stehen, geben.“

Man darf demnach gespannt. Also dann: Stress aus, radiotherapeutische Sitzung angeworfen und weit, weit weg driften, in stratosphärische Klangdimensionen…

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Bild 1 Copyright: Echolot Festival
Bild 2 Coypright: Ontu. Würzburg