Jaja, Weihnachten ist normalerweise die Zeit, um das Jahr nochmal zu reflektieren und optimistisch in die Zukunft zu blicken. Ist halt gerade etwas schwierig, weshalb dieser Text nicht ganz so euphorisch geworden ist. Ganz ohne Hoffnungsschimmer muss er aber zum Glück nicht auskommen.
Von Sebastian Binder
Tja, da sind wir also wieder, Weihnachten 2021 und gerne würde man sagen, die Lage ist so beschissen wie im vergangenen Jahr. Also Dinner-for-one-Style: Same procedure as last year. Die bittere Ironie an der Geschichte ist, dass dank der düsteren Omikron-Prophezeiungen die Lage sogar noch finsterer erscheint als 2020. Der Weg aus der Pandemie – momentan scheint er wieder so weit und beschwerlich zu sein wie vor 20 Monaten. Denn wir haben zwar mit unseren Impfstoffen dem Virus etwas entgegenzusetzen, aber was bislang vielleicht zu wenig kommuniziert wurde, ist, dass das Virus auch dem Impfstoff etwas entgegenzusetzen hat: #Mutation.
Nun gut, so weit, so bekannt, und da wir uns hier nicht beim Ärzteblatt befinden, muss man das Thema an dieser Stelle nicht weiter vertiefen. Bleiben wir also in unserem kleinen Kosmos der elektronischen Musik und überlegen uns, was die aktuelle Stunde geschlagen hat. Denn der unter Produzenten, DJs und Veranstaltern sicherlich weit verbreitete Weihnachtswunsch „Alles so, wie es vor der Pandemie war“ wird sich zumindest kurzfristig nicht erfüllen lassen. Im Gegenteil, Clubs und Discotheken werden wieder geschlossen, wann sie wieder aufmachen dürfen, steht buchstäblich in den Sternen. Gemeinsame Partys selbst im Freien sind ebenso tabu und die Vorfreude auf Festivals dürfte sich derzeit ebenfalls in überschaubaren Grenzen halten. Stattdessen sieht man sich schon wieder allein auf der Couch sitzen und Livestreams schauen, weil das wahrscheinlich die einzige Möglichkeit ist, wie man seine Lieblings-Artists in den nächsten Wochen feiern kann.
Es bleibt also beschissen. Einerseits. Auf der anderen Seite hat Corona – ohne zynisch klingen zu wollen – auch ein paar gute Dinge gebracht. Zum Beispiel eine Flut an herausragender Musik, denn wenn die Produzentinnen und Produzenten weniger mit Spielen und Reisen beschäftigt sind, bleibt mehr Zeit für Experimente im Studio und nicht wenige Künstler haben es geschafft, ihren Sound in den letzten knapp zwei Jahren auf ein neues Level zu heben. Das ist zwar verglichen mit all den durchfeierten, durchtanzten Nächten, die uns durch die Lappen gegangen sind und gehen werden, nur ein schwacher Trost, aber in diesen Zeiten muss man sich eben an alles klammern, was auch nur halbwegs nach einem Strohhalm aussieht. Aber genau wie ich haben es vermutlich die meisten von euch satt, nach diesen Schimmern namens Hoffnung Ausschau zu halten und wollen endlich in das verfluchte Licht am Ende des Tunnels eintauchen.
Daher bleibt auch in diesem Jahr nur der Weihnachtswunsch, endlich aus diesem Alptraum aufzuwachen und sich aus dem Paranoiapanikland zu verabschieden. Das Dumme ist allerdings, dass sich Corona erfahrungsgemäß nicht für fromme Weihnachtswünsche interessiert und wahrscheinlich noch ein, zwei Mutationen in der Hinterhand hat nach dem Motto „Tja, das war wohl nichts. Gehen Sie zurück auf Los.“.
Ach so, der Hoffnungsschimmer. Der kann im Endeffekt nur darin liegen, dass, wenn Omikron mit voller Wucht durchgerauscht ist, eine halbwegs stabile Herdenimmunität hergestellt ist und die Zahlen signifikant zurückgehen werden. Mittelfristig gibt es dann hoffentlich Medikamente, die Corona so weit beherrschbar machen, dass Krankenhauseinlieferungen und vor allem Todesfälle weitgehend vermieden werden können. Für uns als elektronische Musikszene kann es nur darum gehen, weiter durchzuhalten, natürlich im Zweifel mit Fördermitteln der Politik, sodass von all dem, was über Jahrzehnte aufgebaut wurde, noch etwas übrig ist, wenn man vielleicht schon im Frühling 2022 wieder ernsthaft feiern kann.
Tja, eigentlich war geplant, dass dieser Text etwas optimistischer in die Zukunft blickt, doch beim Schreiben wurde mir schnell klar, dass das momentan ziemlich schwierig ist, denn Fakt ist: Es bleibt erst mal beschissen. In diesem Sinne frohe Weihnachten und ein erfreulicheres 2022…